Das Schubladenmuseum – The Museum of Drawers
Gewiss inspiriert von Marcel Duchamps „La Boîte-en-Valise“ von 1941 hatte ich 1970 die Idee, ein Schubladenmuseum mit zeitgenössischer Kunst, also mit der Kunst der 1960er- und 1970er-Jahre zu machen: mit 500 Werken gleichsam ein Kunstwerkemosaik von 500 Künstlerinnen und Künstlern als ein Zeitgeist-Bild. Ein Museum in seiner medialen Funktion, oder, wie der englische Kunsthistoriker James Putman schrieb, „The Museum as Medium“, und, wie in der Abschiedsausstellung von Kynaston McShine 1999 im MoMA in New York zu sehen war, „The Museum as Muse: Artists Reflect“.
Das ’Gebäude‘ als Behältnis für dieses Museum, das ich mit Schubladenmuseum oder auch als Museum of Drawers betitelte, ist ein ausgedienter Nähseidenspulenkasten aus einem Kurzwarengeschäft. Er umfasst 20 Schubladen mit je 25 kleinen Räumen – ursprünglich eben für die verschiedenen Farben der Nähseidenröllchen –, von denen ein jeder 43 x 57 x 48 Millimeter misst. Für diese 500 kleinen Räume habe ich 500 Künstler und Künstlerinnen gebeten, je ein originales Werk zu machen und mir kostenfrei zu überlassen. Nach sieben Jahren, 1977, war das Museum ’gefüllt‘ und es konnte auf Reise gehen: u.a. documenta 5 (hier noch als ’work in process‘), die Biennalen von Venedig und São Paulo, Israel Museum in Jerusalem, LAICA in Los Angeles, ICA in London und MoMA in New York.
Das Schubladenmuseum als Ganzes steht auf dem 501. Werk, einem dafür angefertigten Metallsockel des amerikanischen Künstlers Ed Kienholz. Im Kunsthaus Zürich, dem ich das kleine, mit Unterstützung u.a. der Julius Bär Stiftung entstandene Museum 1979 als Geschenk überlassen habe.
Herbert Distel 2021
BBC-Führung durch’s MOD
Anlässlich der Londoner Schubladenmuseum Ausstellung 1979 im ICA (Institute of Contemporary Art) produzierte die BBC einen 9-minütigen Fernsehfilm, in dem Herbert Distel durch eine Auswahl der 500 Räume dieses Museums führt. Dank der neuartigen Bluebox-Technik erörtert er da vor einzelnen Werken interessante Details, und in einigen dieser winzig kleinen Räume versammelte er Museumsbesucher und -besucherinnen, die den ebenfalls je anwesenden, über ihr Werk sprechenden Künstlern lauschen.
Das interaktive Schubladenmuseum
Basierend auf dem Schubladenmuseum von Herbert Distel erweiterte Jeremie Maret und Christian Weber das Werk mit dem interaktiven Schubladenmuseum. Das Original des Schubladenmuseums, ein Nähseidenspulenkasten aus einem alten Merceriegeschäft, präsentiert in 500 kleinen Räumen (43 x 57 x 48mm) verschiedenste Miniaturwerke; meist von den Künstlern und Künstlerinnen in den 1960er und 1970er Jahren speziell für das Schubladenmuseum angefertigt.
Christian Weber ist Medienkünstler und Inhaber der Agentur Plasma Design GmbH, Zurich.
Jeremie Maret ist Medienkünstler und Inhaber der Galerie The Proposal.
Hans Ueli Siegenthaler – Christian Weber – Jeremie Maret – Herbert Distel
Restaurierung 2010
Mit freundlicher Unterstützung der Bank Julius Bär & Co. AG wurde im Jahre 2010 das Schubladenmuseum im Kunsthaus restauriert.